Technische Vorstellung JP-5 Sports Carbine (9 mm Langwaffe)

JP-Rifles / JP-5 Competition PCC DE

Technische Vorstellung JP-5 Sports Carbine (9 mm Langwaffe)

Hallo Freunde der sportlichen Langwaffen,

da ich in letzer Zeit öfters im Training darauf angesprochen wurde, möchte ich Euch hier eine technische Vorstellung meiner
neuen halbautomatischen 9mm Langwaffe anbieten.

Nach etwas mehr als 6 Monaten Wartezeit brachte der nette Kurier von Overnite Ende April 2024 ein schönes Paket für mich:
Inhalt: JP-5 Carbine in 9mm von der US-Firma JP Enterprises
Die Kollegen aus USA hatten sich leider etwas Zeit gelassen mit dem Transfer der Lieferung über den großen Teich
und unser heimisches Beschussamt brauchte auch etwas länger, als sonst üblich.
Aber das Warten hatte sich gelohnt – die JP-5 kam gerade noch rechtzeitig bei mir an, weil am nachfolgenden Wochenende
ein passender BDMP-Wettkampf stattfand (BaWü Sports-Carbine PP1, NPA und Falling-Plates).

Der BDMP bietet sehr beliebte Disziplinen an, welche mit einem 9 mm Halbautomaten geschossen werden können:

  • Sports Carbine PP1
  • Sports Carbine NPA-B
  • Sports Carbine FallingPlates
  • Sports Carbine ZG
  • EPP Carbine

Was ist nun das Besondere an der JP-5?
Es gibt doch allerlei günstige und wirklich gute Alternativen z.B. von Oberland Arms, HERA, Schmeisser, CZ und Co.
Ja, das stimmt, aber diese haben alle eines gemeinsam: Den unverriegelten Masseverschluss.
Und was ist daran schlimm?
Erstmal nichts. Es funktioniert ja prima. Nur dass diese Verschlüsse extrem schwer sind und sich ruckartig beim Schuss vor- und zurückbewegen – manchmal etwas beruhigt durch nachgerüstete Hydraulikbuffer usw. Trotzdem schießen sich diese Waffen recht ruppig und machen oft den Verschluss zu früh auf. Die Folge davon ist ein unerwartet unangenehmes Schussverhalten, Wandern der Waffe aus dem Ziel, extrem verdrecktes Innenleben, rabenschwarze Hülsen und jede Menge an Gas, welches der Schütze inkl. unverbranntem Pulver ins Gesicht bekommt (insbesondere Links-Schützen oder links-am-Balken-Vorbeischießer).

JP hat sich nun bei der HK MP5 etwas abgeschaut: Den verzögerten Rollenverschluss. Der Verschluss ist dabei extrem leicht gebaut und der Verschlusskopf ist gegenüber dem Verschlussträger in Längsrichtung etwas verschiebbar. Die beiden Rollen ragen seitlich aus dem Verschlusskopf heraus und stützen sich an einem Stahl-Formstück im Upper-Receiver ab. Durch diesen mechanischen Trick öffnet sich der Verschluss erst etwas verzögert.
Das Schussverhalten ist durch den sehr leichten Verschluss und die definierte Verschluss-Öffnungszeit erheblich sanfter, als bei einem reinen Masseverschluss. Der Verschluss der JP-5 wiegt nur ca. 200 g, ein unverriegelter Masseverschluss kommt dabei  leicht auf über 400 g bewegtes Gewicht. Einige der verbauten Verschlussteile sind übrigens HK MP5-kompatibel.

JP-5 Verschluss
JP-5 Verschluss

Äußerlich sieht die JP-5 aus wie eine normale AR9 / AR15. Auch die Bedienelemente (komplett beidseitig) sind exakt gleich gestaltet. Es passen auch z.B. handelsübliche Handgriffe und Schubschäfte. Der Upper ist jedoch komplett neu gestaltet. Im Inneren läuft der filigrane Stahlverschluss in eingearbeiteten Stahlschienen. Die Rollen stützen sich in kleinen “Gruben” in einem massiven Stahl-Inlay ab. Es läuft also nirgends Stahl direkt auf Alu.

Sehr gespannt war ich dann auf dem Schießstand bei den “first-shots”, nachdem ich zu Hause vorab das Red-Dot durch Peilen durch den Lauf ausgerichtet hatte (was übrigens erstaunlich präzise funktioniert). Der JP Quick-Guide empfiehlt, dem Lauf eine “Break-In” Prozedur zu gönnen. 10 Schuss – kurze Reinigung, dann 20 Schuss, wieder reinigen. Dies wiederholen, bis 60 Schuss durch sind. Auf dem Stand ging das ruckzuck, – ob’s was bringt – keine Ahnung. Ich hab jetzt halt ein gutes Gewissen 🙂

Das Schussverhalten ist tatsächlich deutlich sanfter und deutlich angenehmer, als bei meiner ehemaligen HERA PCC mit Kynshot-Buffer.
Dabei ist die JP-5 mit knapp über 2620 g inkl. Red Dot um über 800g (!!) leichter, als die HERA.
Die ausgeworfenen Hülsen sind wesentlich sauberer, ebenso das Innenleben im Verschlussbereich. Zudem bekommt man als Schütze praktisch kein Gas mehr ab. Sehr angenehm!
Zum Reinigen des Verschlusses kann man diesen in 5 sec komplett mittels einer Dreh-Bajonett Konstruktion zerlegen. Man erhält dann: Verschlussträger, Verschlusskopf, Steuerstück und Schlagbolzen.

JP-5 Verschlussteile
JP-5 Verschlussteile

Das geniale an der JP-5 ist jedoch deren Möglichkeit zur sehr feinen Abstimmung. Größter Hebel sind hierbei die verschiedenen, leicht austauschbaren Steuerstücke. Diese variieren im Winkel an der Stelle, wo sich die Rollen abstützen. Ausgeliefert wird die JP-5 mit einem 80° Steuerstück. Je steiler der Winkel (z.B. 60°), desto mehr Gegendruck wird erzeugt und der Verschluss öffnet sich noch langsamer. So kann man sich bei Bedarf an die Grenze der verlässlichen Funktion herantasten.
Das finale Fine-Tuning wird durch variable Gewichte auf der Verschlussfeder-Baugruppe oder der Feder selbst bewerkstelligt. Ab Werk läuft die JP-5 mit dem 80° Steuerstück jedoch universell und absolut verlässlich. Man muss also erstmal nichts tunen. Die Hülsen fliegen aktuell ca. 5 m weit. Idealerweise sollen die Hülsen laut Hersteller ca. 2 m weit fliegen. Man könnte also das Ganze nochmal sanfter abstimmen. Ein 70° Steuerstück ist bereits zum Test geordert. Ich hatte dabei ganz normale S&B 124 gn Schüttpackung-Munition verwendet.

Zur Verarbeitungsqualität: Absolut 1A. Besser geht’s in meinen Augen nicht. Alles wunderschön gemacht, keinerlei Frässpuren, tadelloses Finish. Haptisch und funktional optimal.

Was ich auch super finde: Es gibt auf Youtube jede Menge an Videos zum Handling der JP-5. Auch das Manual (natürlich in Englisch) ist sehr ausführlich mit vielen Bildern und Grafiken gestaltet. Da bleibt bezüglich Demontage, Wartung und Pflege keine Frage mehr offen. Vorbildlich!

Es war sogar ein kleines Döschen JB-Bore Cleaner und ein spezielles Fett für den Abzug (der übrigens traumhaft bricht) mit enthalten.

Erhältlich ist das gute Stück mit BKA-konformem Carbon-Handschutz inkl. positiver BKA-Beurteilung bei der Fa. 3G-Sports im Westen von Nürnberg. Der Inhaber, Sven Schlegel, ist selbst sehr erfolgreicher IPSC-Schütze und weiß daher genau, was er seinen Kunden empfehlen kann.

 

Wer mehr über die ziemlich geniale Kinematik eines verzögerten Rollenverschlusses erfahren möchte, dem kann ich nachfolgende Video-Animation empfehlen. Ich finde, hier wird die faszinierende Funktionsweise eines beschleunigten Rollenverschlusses recht gut erklärt:

Der Trick dabei ist, dass eine Weg-Kraftübersetzung an schrägen Flächen stattfindet. Der Patronenboden mit dem Verschlusskopf bewegt sich erstmal nur ein kleines Stück nach hinten, der Verschlussträger legt jedoch in dieser Zeit durch die Übersetzung einen deutlich längeren Weg zurück, was zusätzlich Kraft benötigt und den Verschluss dabei extra beschleunigen muss. Diese zusätzliche Kraft wirkt dem Öffnen des Verschlusses nochmal extra entgegen. Je stärker ein Gegenstand beschleunigt wird, desto mehr Kraft setzt er dieser Beschleunigung entgegen.

Der Verschlussträger wird durch die übersetzte, lineare Beschleunigung, welche dieser erfährt, ca. 5x schwerer, als er eigentlich ist und verzögert dadurch die Öffnung. Natürlich bleibt seine reine Masse gleich, aber im System wirkt er, wie wenn er 5x schwerer wäre, da er seiner Zwangs-Beschleunigung eine entsprechende Kraft entgegensetzt. Je schneller eine Masse beschleunigt wird, desto mehr Kraft entwickelt diese dagegen. Genau das ist es, was man bezüglich der Verzögerung erreichen will.

Erst wenn die Rollen nach einer gewissen Strecke frei sind, läuft der komplette Verschluss inkl. Verschlusskopf gleichmäßig zurück. Man muss sich das Video genau anschauen, dann versteht man das Prinzip dahinter. Ich stelle mir dazu immer ein Geodreieck vor, welches ich zwischen den Fingern “herausquetsche”.

Leider kann ich nicht 100% sicher beurteilen, ob das in der JP-5 nach dem exakt gleichen Prinzip passiert, weil es viele Unterarten von Rollenverschlüssen gibt.
Ich finde diese Kinematik extrem spannend.

Hier setzt auch das Tuning der JP-5 Steuerstücke an. Die verschiedenen Winkel der erhältlichen Steuerstücke erzeugen unterschiedlich starke Übersetzungen des linearen Weges und dadurch unterschiedliche Gegenkräfte.

Ich hoffe, dieser Artikel ist beim einen oder anderen auf Interesse gestoßen.
Kommentare sind immer gerne erwünscht!

 

Viele Grüße
Rolf

3 Comments

  1. Lieber Rolf, ich bin, wie immer, von Deinen Kommentaren und Beiträgen begeistert. Auch wenn ich sicherlich nicht mehr in den Kreis der Schützen treten werde (ich bin einfach schon zu alt dafür), so begeistert mich die Beschreibung dieser Waffe.
    Welche Probleme beim Schießen mit einer Waffe mit einem schweren Massenverschluß bereiten kann, habe ich schon 1969 (ja so alt bin ich) mit der Maschinenpistole Beretta beim Polizeirevier Fellbach machen dürfen. Wenn ich mir heute vorstelle, mit was wir damals schießen mußten?
    Weiter so Rolf. Ich freue mich auf Deine Beiträge.
    Gruß Jupp

  2. Vielen Dank, lieber Jupp, für Deinen lobenden Kommentar! Da bekomme ich direkt Lust, noch mehr solche Berichte zu schreiben. Vielleicht mache ich mal einen über Zielfernrohre.
    1969 war ich gerade mal 3 Jahre alt und hatte noch Hemd und Hose am Stück 🙂
    Die Geschichten der “alten Hasen” finde ich immer sehr spannend!

    Viele Grüße
    Rolf

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