Zielfernrohre – Technik, Tipps und Tricks
Liebe Vereinskameradinnen und -kameraden,
Zielfernrohre sind faszinierende Präzisionsgeräte, deren Bedienung allerdings nicht ganz trivial ist. Aus diesem Grund möchte ich hier für Euch ein paar der wichtigsten Eigenschaften vorstellen und einige Einstellungen erläutern. Viel Spaß beim Lesen!
Abkürzungen:
MOA = minute of angle = Bogenminute ( 1 Bogenminute = 1/60 Grad)
mRad = Milli Radiant (1 mRad entspricht einer Kreisbogenlänge von 10 cm bei 100 m Radius)
cw = clockwise (im Uhrzeigersinn, also rechts herum)
ccw = counter clockwise (gegen den Uhrzeigersinn, also links herum)
FFP = first focal plane (Absehen in der ersten Bildebene, Absehen vergrößert sich mit)
SFP = second focal plane (Absehen in der zweiten Bildebene, Absehen bleibt immer gleich)
UP = Verstellung des Schusses (!) nach oben
ZF = Zielfernrohr
Begriffe:
Höhenturm: Einstellknopf für die Höheneinstellung
Seitenturm (windage): Einstellknopf für die Seitenverstellung
Absehen: Fadenkreuz, Striche, Punkte zur Zielerfassung beim Einblick in das Zielfernrohr
Dioptrieneinstellung: Scharfstellen des Absehens bei Fehlsichtigkeit
Parallaxeneinstellung: Einstellrad, um die parallaxenfreie Entfernung des Ziels einzustellen
Objektiv: frontseitige Linse des Zielfernrohres
Augenabstand: optimaler Abstand des Auges zum Okular, um das gesamte Bildfeld zu überblicken
Eyebox: Durchmesser des austretenden Lichtbündels
Zero-Stop: Mechanisch einstellbarer Endanschlag für die Nullstellung
Klick: eine Rastung an einem Höhen- oder Seitenturm
Vorneigung: Maß für die Winkel-Neigung einer Montage (z.B. 20 MOA)
Die Frage, die in der Praxis den Schützen am meisten interessiert, ist Folgende: Wieviele Klicks an meinen Türmen entsprechen welchem Verstellweg auf der realen Scheibe?
Dies ist jedoch von vielen Faktoren abhängig.
Nachfolgend einige Erklärungen:
MOA (minute of angle):
Zielfernrohre aus amerikanischer Fertigung werden häufig mit einer MOA-Verstellung angeboten.
Ein MOA entspricht dem 60sten Teil eines Grades auf einem Kreis. Ein Kreis mit dem Radius 100 m hat beispielsweise einen Umfang von 2 x Pi = 628,31 m bzw. 62.831,85 cm.
Ein Grad entspricht dann 1/360 des Kreisumfangens: 174,53 cm
1 MOA entspricht dann 1/60 eines Grades: 2,908882 cm (bei 100 m Entfernung)
1/4 MOA entspricht 0, 72722 cm pro Klick auf 100m (7,3 mm / Klick auf 100 m)
1/8 MOA entspricht 0,36361 cm pro Klick auf 100m (3,6 mm / Klick auf 100 m)
Die US-Amerikaner kommen mit diesem System intuitiv zurecht, weil sie in Yards und Zoll rechnen.
100 Yards sind umgerechnet ca. 91,44 m. 1 MOA entspricht dann 2,66 cm auf 100 Yard, also einigermaßen genau 1 Zoll / 100 Yard. (1 Zoll / Inch = 2.54 mm)
Übliche Verstellungen an einem MOA-Glas sind ¼ MOA pro Klick oder 1/8 MOA pro Klick.
Es ist sehr wichtig, diesen Wert zu kennen, da alle Berechnungen davon abhängen.
mRad:
Die Herleitung der Einheit mRad (Winkel im Bogenmaß) ist deutlich komplexer. 1 Rad entspricht auf einem Kreis einem Kreisbogenabschnitt von der Länge des Radius des Kreises.
In anderen Worten: Ein Kreis hat z.B. den Radius von 100 m. Diese 100 m lange Strecke wird nun außen an den gedachten Kreis angelegt. Dieser sich ergebende Bogen ist nun auch genau 100 m lang (gebogene Strecke auf dem Kreisumfang).
Ein Milliradiant ist 1/1000 eines Rad. Dies entspricht einer Kreisbogenlänge von 10 cm bei einem Radius von 100m.
Die Verstelltürme der meisten Zielfernrohre sind in 0.1 mRad / Klick ausgeführt.
Dies bedeutet: auf 100 m Entfernung bewirkt ein Klick eine Änderung von 1 cm auf der Scheibe.
Die Verstelltürme mit 0,1 mRad (1 cm/ Klick auf 100 m) sind also etwas gröber als eine ¼ MOA Verstellung (7,3 mm / Klick auf 100m).
Es sind aber auch Zielfernrohre mit 0,05 mRad Verstellung / Klick erhältlich.
Wenn man es ganz genau nimmt, müsste die Zielscheibe mit einem Radius von 100 m ganz leicht gebogen werden, da die Strecke die Länge eines Kreisbogens beschreibt, nicht jedoch eine Gerade. Dies ist in der Praxis aber völlig zu vernachlässigen.
Hilreich zum weiteren Verständnis ist dieser Wikipedia-Artikel mit animierter Grafik:
https://de.wikipedia.org/wiki/Radiant_(Einheit)
Wichtig ist der Umstand, dass sich die Strecke der Verstellung pro Klick auf der Scheibe mit doppelter Entfernung ebenso verdoppelt. Ein 0,1 mRad Klick bedeutet auf 200 m Entfernung eine Verstellung des Zielpunktes um 2 cm, bei 300 m entsprechend um 3 cm usw.
Wie schieße ich nun meine Waffe mit möglichst wenig Schuss ein?
Um eine Waffe einzuschießen, benötigt man theoretisch nur einen einzigen Schuss.
Man zielt mit dem ZF genau auf die Mitte der Scheibe, gibt den Schuss ab und schaut, wo sich dieser auf der Scheibe befindet. Nun misst man jeweils die Höhen- und Seitenabweichung zur Zielmitte aus.
Nehmen wir folgendes Beispiel:
Einstelltürme des Zielfernrohrs: 0.1 mRad
Höhenabweichung: 7 cm zu tief
Seitenabweichung: 5 cm zu weit links
Entfernung: 100 m
In diesem Fall müsste man am Höhenturm 7 Klicks in Richtung „UP“ also „hoch“ Klicken.
Den Seitenturm müsste man um 5 Klicks in Richtung „right“ also nach rechts verstellen.
Merke: der Schuss war zu tief. Dieser muss 7 cm höher treffen. Also wird der Höhenturm in Richtung „UP“ gestellt. Die Türme werden IMMER in die Richtung gestellt, wo der Schuss hin soll. Analog gilt dies natürlich auch für die Seitenverstellung.
weiteres Beispiel:
Einstelltürme des Zielfernrohrs: ¼ MOA
Höhenabweichung: 18 cm zu hoch
Seitenabweichung: 12 cm zu weit rechts
Entfernung: 300m
Nun wird es etwas komplizierter. 1 Klick Verstellung ergibt eine Änderung von 7,3 mm auf 100 m.
Auf 300 m bewirkt ein Klick aber bereits das 3-fache, nämlich 21,9 mm.
Höhenkorrektur: 18 cm = 180 mm geteilt durch 21,9 mm (pro Klick) = 8,2 Klicks, also 8 Klicks nach „down“
Seitenkorrektur: 12 cm = 120 mm geteilt durch 21,9 mm (pro Klick) = 5,48 Klicks, also 5 oder 6 Klicks nach „left“
Anhand der Beispiele ist ersichtlich, dass mit dem metrischen mRad –System viel einfacher und ohne Taschenrechner gearbeitet werden kann. Gerade in einer hektischen Wettkampfsituation stellt dies einen großen Vorteil dar.
In der Praxis kann ich jedoch nur dringend davon abraten, nur einen einzigen Probeschuss zum Einschießen abzugeben. Wurde die Waffe vorher gereinigt (erst Recht nach einer chemischen Reinigung und Kupferentfernung), braucht der Lauf mind. 5-10 Schuss, um das Trefferbild wieder zu stabilisieren und auf Temperatur zu kommen. KK-Waffen benötigen sogar noch deutlich mehr Schüsse.
Da jede Waffe mehr oder weniger streut, sollte man auf alle Fälle mindestens 5, besser 7 oder mehr Probeschüssen abgeben. Es entsteht dann im besten Fall eine kleine Schussgruppe. Nachfolgend wird dann die Mitte dieser Schussgruppe ermittelt bzw. abgeschätzt. Dieser ermittelte Wert ist dann der Ausgangspunkt für die Verstellung der Türme. Nach der errechneten Verstellung wird man in der Praxis dann noch eine kleine Gruppe zur Kontrolle abfeuern und ggf. nachjustieren.
Ich möchte dringend davon abraten, auf gut Glück „irgendwie“ mehr oder weniger an den Türmen zu drehen und zu hoffen, dass man sich langsam an die Mitte des Ziels annähert. Gerade auf größere Entfernungen (z.B. 300 m) geht es ganz schnell, dass auf einmal gar keine Schüsse mehr auf der Scheibe ankommen. Dann beginnen die Probleme, überhaupt wieder zurück auf die Scheibe zu kommen.
Übrigens werden auch Streukreise von Waffen gerne in MOA angegeben. Ein Streukreis von z.B. 0,5 MOA (was ein sehr guter Wert ist) bedeutet, dass die Treffer auf eine Distanz von 100 m auf einem Durchmesser von ca. 1,5 cm verteilt sind. Als brauchbar gelten Waffen, die max. 1 MOA Streukreis liefern können.
Einstellung des Dioptrienausgleichs:
Bevor der Schütze ein Zielfernrohr benutzt, sollte der allererste Schritt sein, die Dioptrien entsprechend seiner Sehkraft korrekt einzustellen. Dies ist bitte nicht zu verwechseln mit dem Scharfstellen auf das Ziel.
Der Dioptrien-Einstellring ist normalerweise ganz am Ende des Okulars (der augenseitigen Linse) zu finden). Meist ist dieser mit + und – beschriftet. Um die beste Einstellung zu finden, sollte die Vergrößerung auf einen mittleren Wert eingestellt werden. Das Ziel dabei sollte hell erleuchtet, aber so unscharf wie möglich sein, damit sich das Auge voll auf das Absehen konzentrieren kann. Am besten funktioniert das zu Hause in der Wohnung, in dem man mit dem Zielfernrohr auf eine helle (nicht scharfstellbare) Wand schaut. Nun dreht man so lange am Dioptrienausgleich, bis das Absehen (Fadenkreuz) so scharf wie möglich erscheint. Dabei immer mal wieder wegschauen und wiederholen. Das Auge sollte so entspannt wie möglich sein. Am besten bei verschiedenen Vergrößerungen versuchen, sofern es sich um ein Absehen in der ersten Bildebene handelt (FFP). Hierbei ändert sich die Größe des Absehens linear mit der eingestellten Vergrößerung.
Einstellen der Parallaxe:
Der Einstellring für die Parallaxe befindet sich meist seitlich am Zielfernrohr, oft zusammen auf einer Achse mit der Einstellung der Absehenbeleuchtung. Die Skala reicht meist von ca. 20 m bis Unendlich. Die Skala ist nur als grober Richtwert zu verstehen.
Der Schütze peilt das Ziel an und stellt dieses mittels der Parallaxenverstellung möglichst scharf ein. Die Vergrößerung sollte dabei maximal sein. Um die exakte Einstellung zu finden, ist es wichtig, dass zuvor die Dioptrien perfekt eingestellt wurden.
Erscheint das Ziel maximal scharf, sollte man das Ganze noch fein-tunen. Hierzu bewegt man sein Auge ein klein wenig hin und her, ohne dabei an der Waffe zu wackeln. Meistens verschiebt sich beim Bewegen des Auges das Absehen noch ein wenig auf dem Ziel hin und her. Man stellt die Parallaxe dann so fein nach, bis das Absehen beim Bewegen des Auges nicht mehr auf dem Ziel wandert. Erst dann ist die Parallaxe perfekt eingestellt. Dieser Punkt ist sehr wichtig, weil man ja nie 100 % gleich ins Glas einblickt. Je nach Einblickposition würde sonst das Absehen immer an einer geringfügig anderen Stelle im Ziel erscheinen und so das Trefferbild jedes Mal leicht abweichen.
Montage eines Zielfernrohres:
Ein absolut wichtiger Punkt ist die korrekte Montage des Zielfernrohres auf der Waffe. Es wird dabei unterschieden zwischen Montageringen und Blockmontagen. Montageringe (2 Stück) werden getrennt auf der Waffe montiert. Der Nachteil dabei ist: Sind diese Montageringe nicht absolut achsen-parallel ausgerichtet, verkantet sich das darin montierte ZF und kann sogar Schaden nehmen.
Aus diesem Grund sollte ein ZF möglichst immer mit einer Blockmontage befestigt werden. Hierbei gibt der Hersteller der Montage wie auch der Hersteller des Zielfernrohrs maximale Drehmomente vor, die tunlichst eingehalten werden sollten (Drehmoment-Schraubendreher). In den meisten Fällen wird sogar eine feste Reihenfolge beim Festziehen der Schrauben vorgegeben.
Bei zu wenig Drehmoment besteht die Gefahr, dass sich das ZF in den Ringen verschiebt. Bei zu viel Drehmoment besteht die große Gefahr der Beschädigung am Tubus. Hierbei bitte nicht nach „Gefühl“ arbeiten.
Für Langwaffen im AR-10 / AR-15 Stil ist es günstig, eine sog. gekröpfte Brückenmontage zu verwenden, damit der Einblick des ZF nicht zu weit hinten liegt.
Sollte auf sehr weite Distanzen geschossen werden, ist es möglich, dass der Verstellbereich des Höhenturms nicht mehr ausreicht, um den Geschossabfall zu kompensieren. Hierbei kann die Verwendung einer Montage mit eingebauter Vorneigung abhelfen. Dabei wird das ZF mit einem genau definierten Winkel (angegeben in MOA) leicht nach unten zeigend montiert.
Beim Erwerb einer passenden Montage muss darauf geachtet werden, dass diese zum Tubus-Durchmesser des Zielfernrohres passt. Übliche Durchmesser sind 30 mm, 34 mm und 36 mm.
Das Zielfernrohr sollte dabei so niedrig wie möglich montiert werden, aber ohne dass das Gehäuse im Objektivbereich am Chassis anstößt. Die Hersteller bieten hierfür diverse Höhen der Montagen an.
Bitte bei der Auswahl der Montage nicht am falschen Fleck sparen!
Absehen:
Viele Zielfernrohrhersteller bieten für Ihre Modelle jeweils eine Auswahl an verschiedensten Absehen an. Die einfachsten bestehen nur aus einem simplen Fadenkreuz. Für militärische Anwendungen kommen oftmals hochkomplexe Absehen mit allerlei Hilfslinien und Punkten zum Einsatz (Tremor, Mil-Dot, usw.). Für Sportschützen hat es sich bewährt, ein (teil-) beleuchtetes Absehen zu verwenden, welches in der Mitte einen winzigen Punkt im Fadenkreuz hat, wie z.B. das MSR-2 Absehen.
Eine Beleuchtung kann auf dunklen Indoor-Ständen sehr sinnvoll sein, wenn z.B. die Mitte der Scheibe sehr dunkel ist.
Vergrößerung:
Die Bereiche der Vergrößerungen von Zielfernrohren liegen zwischen 0-fach bis ca. 60-fach. Praxisgerechte Vergrößerungen kommen zwischen 6- fach bis ca. 25-fach zum Einsatz.
Mehr Vergrößerung wird nur selten benötigt.
Die Auswahl der max. Vergrößerung hängt vor allem vom Einsatzzweck und auch von der Sportordnung ab. Hohe Vergrößerungen lassen zwar das Ziel genauer erkennen, aber es kann auch zu folgenden Problemen führen: Hat sich der Lauf der Waffe erwärmt, flimmert die Luft darüber. Je stärker die Vergrößerung, desto mehr wird auch das Flimmern verstärkt. Gleiches gilt zudem für eventuell auftretende Mirage (Luftflimmern über der Schießbahn). Oftmals ist es sinnvoller, mit etwas weniger Vergrößerung zu schießen.
Viele Grüße
Rolf
Hi Rolf, bin sprachlos! Den Bericht kannst als Buch drucken lassen. Ich habe damals Tage im Internet verbracht, um alles zu suchen und nachzulesen. Perfekt zusammengefasst!
Vielen Dank, Tim! Das motiviert mich sehr!
Hallo Rolf,
hatte jetzt erst Zeit Deinen ausführlichen Bericht zu lesen.
Ist echt der Hammer 👍. Alles auf den Punkt gebracht was nötig ist.
Besonders, wen man seine LW nicht so oft verwendet, geraten Punkte in Vergessenheit 🤦♂️.
Werde Deinen Bericht ausdrucken und als Anleitung 😉 mitführen, TOP Danke Dir